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Autor Thema: Käfer auf der Haut  (Gelesen 13925 mal)

Offline Psychotrop

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Käfer auf der Haut
« am: 18. Jul 2012, 18:52 Uhr »
Hi,

ich hatte heute eine Probandin, die sich - wie in meinem anderen Fred beschrieben -  etwas schwer tat in die Trance zu kommen. (Ja ich übe das gerade ;) )
Nach einer Weile hat es dann ganz gut geklappt und auch eine "greifbare" Suggestion funktionierte gut.
Ich fraktionierte die Trance und wollte dann weitere Wirksuggestionen anschließen.
Bei jeder Form von haptischer Halluzination jedoch sträubte sich das UB die Suggestion anzunehmen, was mich erst mal überraschte, da ich fest davon ausging das würde nun auch funktionieren. (Die haptischen Illusionen waren klar gewünscht, zumindest vom Bewusstsein der Klientin).
Die Probandin begründete das mit "Ich kann mir so was einfach nicht gut vorstellen".

Die Trance selbst empfand sie als sehr angenehm und ihr Körper wolle da "gar nicht so recht raus".

Daher habe ich die Trance vertieft (runter gezählt, Umgebungsgeräusche zum Zeichen für eine Vertiefung gemacht usw.)
Augenliderflattern und eine sichtbar entspanntere Haltung habe ich dann als ein Zeichen gedeutet, dass die Trance nun tiefer sei als vorher.
Auch damit haben haptische Suggestionen leider nicht den gewünschten Effekt erbracht.

Nachdem ich die Klientin aus der Trance geholt hatte, berichtete sie mir, dass sie jetzt das Gefühl habe, Käfer würden über ihren ganzen Körper krabbeln wenn sie tief in Trance sei und das dies natürlich sehr unangenehm ist. Auch die gegebene Suggestion, dass ich die Käfer entferne hat sie leider nicht verscheucht.

Hat jemand eine Idee wie ich der Klientin das Gewünschte Ergebnis bescheren kann und unangenehme Krabbeltiere fernhalten kann?


Gruß
Thomas
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Offline Lutz

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Re: Käfer auf der Haut
« Antwort #1 am: 18. Jul 2012, 23:37 Uhr »
Hallo Thomas,

eine solche Käferinvasion hab' ich bisher nicht erlebt, von daher muss ich da jetzt auch mal gedanklich improvisieren.

Meine erste Idee war, dass das Erlebte etwas mit deinen Suggestionen, den "haptischen Illusionen", zu tun haben könnte. Vielleicht wurde da etwas missverständlich ausgedrückt oder falsch interpretiert oder eine Folge nicht bedacht oder...
Da du dazu aber nichts Genaueres schreibst (was du natürlich auch nicht musst), bleibt das erstmal reine Spekulation, die ich hier zunächst nicht weiter verfolge.

Mein zweiter Verdacht geht in diese Richtung:
In jeder Sekunde nehmen wir zig Millionen interne und externe Sinnesreize unbewusst(!) wahr; die "bedeutungslosen", die keine sinnvollen und hilfreichen Informationen beinhalten, werden dabei normalerweise weggefiltert und erreichen unsere bewusste Wahrnehmung nicht. Erst wenn unter diesen "unwichtigen" Wahrnehmungen eine Veränderung auftritt, werden wir "alarmiert", indem diese veränderten Reize dann bewusst werden. Diesen Vorgang kann man mit einem simplen Experiment nachvollziehen:

Wenn man seine Handfläche halbrund formt, so, als wolle man darin etwas Wasser auffangen, und sich mit dieser ein Ohr abdeckt, hört man ein Rauschen. Dies kommt vom Blutfluss im Ohr. Nimmt man die Hand weg, ist auch das Rauschen weg, oder? Nein, man hört es nur nicht mehr, aber es ist noch da, denn das Blut fließt ja immernoch. Was passiert da also? Ohne Hand wird dieses Rauschen, das uns von Anfang an begleitet, vom Unbewussten ausgefiltert, denn es stellt keine nützliche Information dar und würde nur nerven. Wenn aber die Hand davor gehalten wird, wird an dieser das Rauschen reflektiert und ändert damit seinen Klang (seine frequenzmäßige spektrale Verteilung). Dieses "neue" Rauschen stellt für das Unbewusste etwas Unbekanntes, Verdächtiges dar, das nun sicherheitshalber auch bewusst hörbar wird, damit wir mal mit unserem Verstand darüber nachdenken können, was da denn los ist. (Statt der Hand kann man natürlich auch die bekannte Muschel nehmen, wenn man die gerade zur Hand hat.)

Ein Nebeneffekt von Trance kann nun sein, dass die unbewussten Grenzen und Regeln, nach denen Empfindungen unbewusst aussortiert oder ans Bewusste weitergeleitet werden, sich geringfügig verschieben und so zu ungewöhnlichen und unnormalen Empfindungen und Wahrnehmungen führen. Dies kann auf unterschiedlichen Sinneskanälen in vielfältiger Weise geschehen, das bekannteste Phänomen ist vielleicht das der körperlichen "Schwere" während einer Trance. Was passiert dabei? Der Druck, der auf den menschlichen Körper über seine Unterlage wirkt, wird in einem normalen Wachzustand vom Unbewussten als "normal" eingeschätzt und uns daher nicht sonderlich bewusst. In Trance verschiebt sich diese Grenze mit der Folge, dass manchen Hypnotisierten dieser Druck deutlicher bewusst wird, was dann - fälschlich - als größere Schwere interpretiert wird.

Ich könnte mir also vorstellen, dass deine Probandin aufgrund einer derartigen trancebedingten Wahrnehmungsverschiebung einfach ihr Blut in den Extremitäten pulsieren gespürt hat, was normalerweise dank der unbewussten Filterung nicht passiert. Dies könnte durch deine Suggestionen in Richtung "haptischer Veränderung" begünstigt worden sein - was dann wieder eine Verbindung zur ersten Variante darstellen würde.

Meine rein spekulative Vermutung läuft also doch auf missverständliche/missinterpretierte Suggestionen hinaus, die geändert werden sollten, um sowas zu vermeiden. Genaueres könnte ich nur sagen, wenn ich genaueres wüsste, aber - s.o. - das brauchst du nicht offenbaren. Aber vielleicht fällt dir vor diesem Hintergrund selbst noch was dazu ein.  ;)

Lieben Gruß
Lutz

Offline Hypnotikum

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Re: Käfer auf der Haut
« Antwort #2 am: 19. Jul 2012, 11:14 Uhr »
Hi Thomas

ich kenne (und mag) dieses Gefühl, wenn auch ich es nicht als 'Käfer' beschreiben möchte.
Es ist eher das Kribbelnl, wie wenn z.B. in einen eingeschlafenen Arm wieder das Blut zu fließen beginnt, nur deutlich angenehmer und unter gelegentlich über en ganzen Körper ausgebreitet. (Dieses Gefühl stellt sich teilweise auch ein, wenn man TaiChi betreibt und in dem Zustand 'Sung' ist. Dort wird es als ein '...zähes fließen wie Honig im Körper...'  beschrieben. Mann spürt tatsächlich das Fließen des Blutes je nach Haltung der Extremität, hinein oder heraus.

Vielleicht hatte der Probant eine Phobie zu Käfern/Spinnen oder ähnliches und deshalb in diese Richtung gedacht.

LG Ralf
Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen. Danach verzichtete er auf weitere Experimente. (Mark Twain)

Offline Psychotrop

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Re: Käfer auf der Haut
« Antwort #3 am: 20. Jul 2012, 15:43 Uhr »
Zunächst vielen Dank für die interessanten Antworten.

@Lutz: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das Gesagte auch nur im Mindesten hätte in diese Richtung interpretiert werden können.

Heute habe ich die gleiche Probandin wieder hypnotisiert.
Zunächst habe ich ihr erklärt, dass es sich bei dem Gefühl wohl um ihren eigenen Blutfluss handelt.
Das hat sie nicht weiter beeinträchtigt, also machte ich nach ein paar beiderseitigen Worten über die angestrebten Suggestionen mit der Induktion weiter.

Nach sehr viel kürzerer Zeit als vorgestern schien sie mir in recht tiefer Trance (was sie mir hinterher bestätigte, s.u.)
Diesmal stellten sich auch langsam die gewünschten sensorischen Eindrücke ein. Alles in allem schien es recht erfolgreich verlaufen zu sein.

Nach der Trance befragte ich sie zu dem Erlebten.
Sie sagte dass sie das Gefühl hatte sehr tief "weg" gewesen zu sein und sich auch gar nicht mehr an die gegebenen Suggestionen erinnern könne (ich hatte keinerlei Amnesie absichtlich suggeriert). Käfer seien keine mehr aufgetreten.

Eine Phobie vor Käfern, Spinnen oder Insekten hat sie nach eigenen Angaben übrigens auch nicht.

Ob es an unbewusst leicht veränderter Formulierung, an meiner Erklärung, es handele sich nur um den eigenen Blutfluss oder am Wetter gelegen hat, kann ich leider nicht sagen.

Gruß
Thomas
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Offline Lutz

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Re: Käfer auf der Haut
« Antwort #4 am: 20. Jul 2012, 23:27 Uhr »
@ Thomas:

Zitat
@Lutz: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das Gesagte auch nur im Mindesten hätte in diese Richtung interpretiert werden können.

Och - sowas kann ganz schnell gehen, da sollte man den Phantasiereichtum mancher Klienten nicht unterschätzen. So wäre es ja nicht ungewöhnlich, im Zusammenhang mit einer Tranceinduktion z.B. von Entspannung zu sprechen. Das wird dann vielleicht bei 10 Probanden zu keiner besonderen Reaktion führen, außer dass sie sich eben entspannen, was ja Sinn der Sache ist. Aber nehmen wir mal an, dass Proband #11 noch tranceunerfahren und dafür umso neugieriger und vielleicht auch zweifelnder ist. Und der hört jetzt: "Du kannst dich jetzt entspannen."

Dann denkt der vielleicht: "Entspannen? Wie geht das denn? Wie fühlt man sich, wenn man hypnotisch entspannt wird? Woran kann man das merken oder spüren? Fühlt sich dann irgendwas anders an? Mein Körper fühlt sich jedenfalls immernoch normal an, wenn ich da mal so durchfühle. Na ja, die rechte Hand kribbelt ein bisschen, aber dieses Kribbeln kann man ja auch im wachen Zustand fühlen. Oder wird es jetzt etwa mehr? Nee, ich glaub nicht. Und die linke Hand kribbelt ja auch überhaupt nicht. Kein bisschen. Würd' ich merken, wenn es da kribbelt. Aber ich kann da reinfühlen, wie ich will, da kribbelt nichts. Na ja, wenn ich da jetzt wirklich gaaanz intensiv reinfühle, kann ich da schon so ein Kribbeln erahnen. Aber nicht so stark wie in meiner rechten Hand. Oh Shit, die kribbelt ja jetzt noch mehr! Hoffentlich wird das nun nicht auch in der linken... Mist, geht schon los. Oh Mann, überall, wo ich hindenke, fängt es jetzt zu kribbeln an. Ist das die Entspannung? Jetzt bloß nicht an die Füße denken - zu spät. ..."

Und schon hat man den Salat. Solche und ähnliche "Gedankenschleifen" führen ja zu den mitunter festzustellenden trancebegleitenden Phänomenen wie etwa Körperschwere oder -leichte oder allem möglichen. Und das kann eben auch auf allen Sinneskanälen geschehen. Eine Klientin meinte mal, sie habe genau gehört, dass mein Praxisraum, in dem die Trance stattfand, "in besonderer Weise akustisch designed" sei, so dass meine Sprache so anders klinge. Ist er aber nicht.  :ratlos:

Eine andere Klientin beantwortete meine Anregung, sich nun zu entspannen, mit einem deutlich hörbaren "Pups". Bis dahin hätte ich auch nicht im Mindesten gedacht, dass so ein Vorschlag in diese Richtung hätte interpretiert werden können.  :)
Meine Erfahrung: wenn man denkt, man hätte an alles gedacht - denkste! Klienten haben manchmal eine 10x größere Phantasie als wir einfältige Hypnotiseure!  ;)

Lieben Gruß
Lutz

Offline Psychotrop

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Re: Käfer auf der Haut
« Antwort #5 am: 20. Jul 2012, 23:34 Uhr »
Hm... das stimmt, ganz so weit habe ich natürlich nicht gedacht.
Da drängt sich mir die Frage auf: Wie erkenne ich solche "Gedankenschleifen" und wie kann ich sie (falls unerwünscht) vermeiden oder umgehen?

Gruß
Thomas
Stelle alles in Frage was du zu wissen glaubst!

Offline Lutz

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Re: Käfer auf der Haut
« Antwort #6 am: 21. Jul 2012, 14:42 Uhr »
Zitat
Wie erkenne ich solche "Gedankenschleifen"

"Von außen" kann man die praktisch nicht erkennen. Das Wissen um sowas kann allenfalls bei der Nachbesprechung helfen. Selbst wenn man mit auf den Weg gibt, dass sich ein Proband jederzeit äußern könne, falls ihn was störe, wird er davon erfahrungsgemäß eher selten Gebrauch machen, weil er während einer Hypnose zu "träge" dafür ist.

Zitat
wie kann ich sie (falls unerwünscht) vermeiden oder umgehen?

Auch da gibt es kaum eine Möglichkeit. Nach einer (unkonventionellen) Hypnose zum Thema "Nichtrauchen" behauptete eine Klientin mal, dass während ihrer Trance das Fenster geöffnet worden sei, sie habe deutlich die frische Luft gespürt, die sie umweht habe. Aber es wurde weder das Fenster geöffnet, noch wurde eine Suggestion mit frischer Luft o.ä. gegeben.

Das alles ist aber nicht wirklich schlimm, weil es

a) selten in erwähnenswerter Weise vorkommt,
b) meistens Phänomene sind, die nicht sonderlich stören oder sogar hilfreich sein können.

Während einer Selbsthypnose bei offenem Fenster im Sommer hab ich mal einen mir unbekannten Popsong aus einer Art Kofferradio von draußen gehört. Als er vorbei war, fing er wieder von vorne an. Das machte mich besonders aufmerksam und wenn ich nun gezielt an dieses Lied dachte, fing es stets wieder von vorne an zu spielen. Ich hab dann mal draußen nachgeguckt - da war niemand, auch kein Radio. Es handelte sich um eine astreine, perfekte akustische Halluzination. Was die nun sollte, weiß ich auch nicht. Aber der Song war nicht schlecht.

Während einer Trance kann es in sehr seltenen Fällen zu allen "schrägen" Wahrnehmungen kommen, zu denen das menschliche Hirn fähig ist (man denke an Alkohol- oder Drogenrausch, Psychosen, ...). Solche Erscheinungen sind aber harmlos.

Lieben Gruß
Lutz

 

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