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Autor Thema: Mythen zur Person Milton Erickson  (Gelesen 6955 mal)

Offline StefanS

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Mythen zur Person Milton Erickson
« am: 11. Jun 2010, 10:35 Uhr »
Hallo allerseits,

dieser  http://www.hypnose-service.de/forum/index.php?topic=1378.msg13768#msg13768  Beitrag von Lutz hat mich in mir die Frage nach den Thema Mythos <> die wahre Person  ausgelöst.

Was mir in letzer Zeit häufig begegnet ist, war die Ansicht Milton, genau genommen die Art nach ihm zu arbeiten ist ungenaues, nebelhaftes Dahergelaber. Was ich meiner derzeitigen Erfahrung komplett widerspricht. Meiner Ansicht nach war Milton äußerst präzise in seinem Vorgehen. Wie seht ihr das und vor allem: welche Mythen über ihn begegnen euch sonst noch?

lg, Stefan
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Offline Lutz

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #1 am: 12. Jun 2010, 02:48 Uhr »
Hallo Stefan,

Zitat
Meiner Ansicht nach war Milton äußerst präzise in seinem Vorgehen. Wie seht ihr das

Ebenso. Er hatte wohl die gut ausgeprägte Fähigkeit, sein Vorgehen individuell auf seine Klienten und deren Bedürfnisse und deren Hintergrund abzustimmen (Utilisation).
Das kann sogar im Einzelfall tatsächlich in ein "ungenaues, nebelhaftes Dahergelaber" münden. Das Problem ist nur: wenn dem Betrachter jegliches Verständnis z.B. für psychologische Hintergründe abgeht, dann wird er überhaupt nicht verstehen, warum in diesem Fall gerade so und nicht anders "dahergelabert" wird und welche Motivation und Strategie dahinter stehen.

Zitat
und vor allem: welche Mythen über ihn begegnen euch sonst noch?

Ich lese gelegentlich Aussagen wie "Erickson ist (war) ..." und dann folgt irgendeine eindimensionale Beschreibung. Und schon das ist ja Quatsch, denn Erickson war äußerst vielschichtig. Er war mal direktiv, mal permissiv, mal indirekt, mal unverschämt direkt, erzeugte manchmal nur leichte Trancen bis hin zu sehr tiefen(!) Trancen und und und. Und er war oft noch sehr unkonventionell und unorthodox. Erickson auf nur ein Attribut runterzubrechen, zeugt vom gleichen Kenntnisstand, als würde man sagen: In Deutschland hören die Menschen nur Marschmusik.  :)

Lieben Gruß
Lutz

Offline StefanS

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #2 am: 12. Jun 2010, 19:19 Uhr »
Hy,

 ich persönlich glaube, dass Erickson, wenn ich ihn schon "runterbreche", vor allem eines war: Ein Meister der Feedbackschleifen - soweit ich seine Arbeit verstehe. Und ich bin weit davon entfernt ihn wirklich zu verstehen ;)
 Grundsätzlich gilt  für mich in der Betrachtung eine weitere wichtige Unterscheidung: Konzept / Prinzip <> Technik. In den Diskussionen (falls es mal wirklich eine Diskussion ist und kein Glaubenskrieg) werden oft seine Techniken (Sprachmuster, Metaphorik, Rapport etc.) betrachtet ohne sich Gedanken über den Kontext bzw. sein Konzept dahinter zu machen. Sich nur mit der Technik, wie z.B. dem analogen Markieren, zu befassen ist wie ein Skalpell in die Hand zu nehmen und zu meinen ein Chirurg zu sein.
BTW: Hat eigentlich schon jemand den Beweis erbracht, dass die Tiefe einer Trance einen Einfluss auf die Langzeitwirkung hat?

lg, Stefan
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Offline mipooh

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #3 am: 12. Jun 2010, 20:26 Uhr »
Zitat
Hat eigentlich schon jemand den Beweis erbracht, dass die Tiefe einer Trance einen Einfluss auf die Langzeitwirkung hat?
Ist die denn überhaupt sinnvoll definiert?
(Mal abgesehen vom Grad einer "Bewusstlosigkeit", was mE nicht mit Trancetiefe korreliert)
Gewohnheiten brauchen Gewöhnung...

Offline StefanS

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #4 am: 12. Jun 2010, 23:28 Uhr »
Zitat
Hat eigentlich schon jemand den Beweis erbracht, dass die Tiefe einer Trance einen Einfluss auf die Langzeitwirkung hat?
Ist die denn überhaupt sinnvoll definiert?
(Mal abgesehen vom Grad einer "Bewusstlosigkeit", was mE nicht mit Trancetiefe korreliert)

Diejenigen die immer ;) über die nötige Trancetiefe werden doch hoffentlich eine Definition haben  >:D
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Offline Lutz

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #5 am: 13. Jun 2010, 00:13 Uhr »
@ Stefan:

Zitat
Hat eigentlich schon jemand den Beweis erbracht, dass die Tiefe einer Trance einen Einfluss auf die Langzeitwirkung hat?

Wäre mir neu. Und würde übrigens auch meinen bisherigen Erfahrungen und Auffassungen widersprechen.


@ mipooh:

Zitat
Ist die denn überhaupt sinnvoll definiert?

Wäre mir auch neu. Und würde auch meinen bisherigen Erfahrungen und Auffassungen widersprechen.  :)

Lieben Gruß
Lutz

Offline mipooh

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #6 am: 13. Jun 2010, 09:47 Uhr »
Es ist ja grundsätzlich sehr schwierig Emotionen, Vorgänge des Bewusstseins, verbal zu kommunizieren. Uns fehlen mE da ganze Begriffswelten und wir kratzen nur an der Oberfläche.

Mein persönlicher Eindruck zum Begriff Trancetiefe ist der, dass häufig ein gewisser Grad an Bewusstlosigkeit gemeint scheint, sozusagen, inwieweit jemand "weggetreten" ist. Mit meinen eigenen Tranceerfahrungen passt das so gar nicht recht zusammen, weil ich eher dazu neige, Trancetiefe an dem "Raum" zu messen, in dem ich bewusst bin ohne mich um Einzelheiten zu kümmern.

Mit anderen Worten, ich erlebe in Trance mich und meine Umwelt, ohne an einer Einzelheit fixiert zu sein und doch irgendwie "alles" wahrnehmend. Und dieses "ich und die Umwelt" kann verschiedene "räumliche Ausmaße" haben. Besonders im Freien... ich erinnere mich, mich gewissermaßen in Watte gepackt gefühlt zu haben mit einem "Durchmesser" von zig oder hunderten von Metern... wobei wiederum "in Watte gepackt" oder eine Idee von "Metern" eine Vorstellung provozieren kann, die unzutreffend wäre, denn ausser einem Raumgefühl war da nichts weiss oder auch nur nebelhaft oder irgenwie messbar...

Mag sein, dass jemand von aussen betrachtend den Eindruck haben könnte, ich sei irgendwie abwesend (weil ich zB nicht erwartungsgemäß reagiere), während ich, selbst das wahrnehmend und "wissend", mich darum nicht weiter kümmern würde.

Insofern würde ich Trancetiefe noch am ehesten mit einer "Tiefe dieses Raums" verbunden sehen, während ich subjektiv von einer gesteigerten Bewusstheit ausgehe (völlig im Gegensatz zu dem Eindruck, dass damit ein Bewusstseinsverlust gemeint sein könnte).

Ich finde es enorm schwierig mit solchen Begriffen zu hantieren. Wenn ich mal überlege, dass wir mit ein bischen Allgemeinbildung sogar winzigste Teilchen eines Computers beschreiben können, dann finde ich sind wir doch recht sprachlos, sobald das Gefühlsleben angesprochen wird.

Kurz gesagt, empfinde ich "tiefe" Trance als gesteigerte Bewusstheit und nicht als eingeschränkte Bewusstheit.

Gewohnheiten brauchen Gewöhnung...

Offline Lutz

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Re: Mythen zur Person Milton Erickson
« Antwort #7 am: 13. Jun 2010, 15:40 Uhr »
Wir hatten das Thema "Trancetiefe" ja schon mehrfach im Forum bis hin zum "Kabbeln" über deren Messbarkeit.  :) Ist aber ja auch ein Dauerbrenner.

Ich spreche auch von verschiedenen Trancetiefen (leichte, mittlere, tiefe Trance) und vermittle dieses Konzept auch auf Seminaren. Denn diese Unterscheidung drängt sich in der praktischen Erfahrung einfach auf. Wenn jemand während einer Hypnosesitzung nur die Augen schließt, ansonsten aber keine Veränderungen spüren lässt, wird man eher eine leichte Trance annehmen. Wenn jemand aber die Augen schließt, im Laufe der Zeit sitzend immer mehr zusammensackt und dort wie ein Schluck Wasser in der Kurve hängt, zu sabbern beginnt, Tränenfluss produziert, röchelnd und fast schnarchend atmet, teilweise zuckt und dann nach der Auflösung relativ lange benötigt, um sich zurück zu orientieren - dann wird man eher eine tiefere Trance erspüren.

Ich schreibe hier absichtlich "erspüren", denn die Wahrnehmung der Befindlichkeit einer anderen Person übersteigt natürlich die oben genannten "Parameter" und schließt auf unbewusster Ebene noch weitaus mehr Details ein. Und da sagen dann auch "Laien" ganz spontan: "Der war jetzt aber ganz schön tief weg". Also tiefe Trance. Oder?

Dennoch sind das aber nur äußerliche Indikatoren, die zwar in vielen Fällen ein inneres Geschehen erahnen lassen, aber keineswegs "sicher abbilden". Bei einer Showhypnose z.B. versagen diese Kriterien mehr oder weniger gänzlich, was viele unbedarfte Beobachter eben zu dem falschen Schluss bringt, die Probanden seien ja gar nicht in Trance und würden das nur spielen.

Und dann gibt es noch die von mipooh angesprochene Ebene der "inneren Wahrnehmung". Die ist ja auch nicht ganz unwichtig - jedoch nach meinen Erfahrungen ebenso unzuverlässig. Da gibt es Leute, die äußerlich typische Trancemerkmale zeigen und vielleicht auch noch Trancephänomene produzieren und hinterher steif und fest behaupten, sie seien nicht in Trance gewesen. Andere äußern schon während einer showhypnotischen Demonstration lachend, sie seien nicht in Trance, und zählen anschließend 1 - 2 - 3 - 5 - 6 usw.

Eine von mir selbst vor vielen Jahren erlebte fremdhypnotische Trance empfand ich als sehr tief, weil ich an die Zeit während der Trance nachträglich praktisch keine Erinnerung hatte und weil ich nach der Rückorientierung noch längere Zeit brauchte, um wieder klar zu werden. Ich fühlte mich, als würde ich von gaaanz weit weg zurückkommen, und als ich die Augen öffnete, stimmten die Farben in meiner Umgebung längere Zeit nicht, der "Weißabgleich" war völlig verschoben.

Bei einer anderen "tiefen Trance" bekam ich alles um mich herum mit, wollte sogar aus der Trance rauskommen, was mir aber ohne fremde Hilfe nicht gelang, und konnte ganz klar denken: "Sch..., wie kannst du das beenden? Ich bin kein Star, holt mich hier raus!" Diese Trance war also für mich tief aufgrund ihrer "Gebundenheit", nicht aufgrund irgendwelcher Dissoziation ("gedanklicher Abgespaltenheit").

Und zum Problem einer zutreffenden Beurteilung der eigenen Befindlichkeit: Ich hab mal Selbstversuchsreihen unternommen, um Schlaf von (tiefer) Trance messtechnisch mit dem EEG abgrenzen zu können. Also hab ich mich einige Male verkabelt und dann auf's Sofa gehauen, um dort einzuschlafen.
Einer dieser Versuche ging schief, ich wurde nicht richtig müde, Gedanklen schwirrten mir durch den Kopf, draußen war es zu laut - also sah ich nach einer halben Stunde auf die Uhr und brach diesen Versuch ab. Ich richtete mich auf und stoppte die Aufzeichnung. Das Programm zeigte mit eine Aufzeichnungsdauer von 40 Min. 40??? Ich hatte doch nach 30 Min. abgebrochen.  ??? Und als ich dann auf die Auswertung sah:


Nach meinem Entschluss abzubrechen und dem späteren Aufrichten - war ich kurz eingeschlafen! Und ich hätte jeden Meineid geschworen, dass ich nicht geschlafen habe!
Nun sind Trance und Schlaf bekanntlich verschiedene Dinge, aber wenn ein Mensch schon nicht mal verlässlich erkennen kann, dass er schläft / geschlafen hat - wie soll er dann eine Trance erkennen und noch "objektive" Aussagen zur Trancetiefe machen können?

Wer bei dem ganzen Kuddelmuddel glaubt, einen "Behandlungserfolg" an einer (vermeintlichen) Trancetiefe festmachen zu können, hat mir was voraus. Und bei all dem ist immernoch nicht geklärt, was Trancetiefe denn überhaupt ist - und ob es Trance überhaupt gibt.  :)

Es ist ja grundsätzlich sehr schwierig Emotionen, Vorgänge des Bewusstseins, verbal zu kommunizieren. Uns fehlen mE da ganze Begriffswelten und wir kratzen nur an der Oberfläche.

Genau. Für den "Hausgebrauch" reicht es vielleicht noch, aber um da ernsthafte Beziehungen zwischen einer Trancetiefe und Nachhaltigkeit einer Intervention herzustellen, wäre ich zumindest überfordert. Zumal da ja noch ganz andere und vielleicht wesentlich entscheidendere Faktoren mit hineinspielen - Leidensdruck, Rapport, "Ökologie" usw. usf. Und dann auch noch systemische Erwägungen ganz außerhalb einer Sitzung. Das alles außen vor zu lassen und nur von Trancetiefe zu sprechen, scheint mir da ohnehin verfehlt.

Lieben Gruß
Lutz

 

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