Hallo Miraculus,
Demnach wäre ein "Handauflegen allein" an sich keine Heiltätigkeit im Sinne des HPGs, ...
Das ist ein unzulässiger Schluss, den z.B. auch der DGH (Dachverband Geistiges Heilen) aus dem Urteil zieht. Im gesamten Urteil steht eben nicht: "Wer seine Hände auflegt, heilt nicht (im Sinne des HPG)."
Man muss dazu den vom Berschwerdeführer vorgetragenen Gesamtzusammenhang sehen. Richtig wäre, dass das Urteil lediglich in etwa besagt:
"Wer ausdrücklich einem Patienten mitteilt, dass er NICHT heile, dass dieser in jedem Fall beim Vorliegen einer Krankheit einen Spezialisten aufsuchen solle, dass er lediglich versuche, "die Seele des Patienten zu berühren", um dessen Selbstheilungskräfte zu begünstigen, dass er mit seinem immergleichen stereotypen Tun die Tätigkeit eines Arztes nicht ersetze usw. usf.", der "heilt" nicht im Sinne des HPG und braucht auch dazu keine Prüfung gem. HPG ablegen.
Kommt ein Patient mit Herzrhythmusstörungen zu einem Geistheiler und der sagt dann: "Das werden wir gleich haben", legt seine Hände aufs Herz und meint dann: "So, das wars. In den nächsten Tagen wirds besser und geht weg", dann ist sowas natürlich eine erlaubnispflichtige Tätigkeit nach dem HPG.
Auch wäre das Handauflegen eines Arztes auf den Bauch eines Patienten mit dem Ziel, diesen dadurch zu einer anderen Atmungsweise anzuleiten, damit der endlich seine durch eine falsche Atmung begünstigten Zwechfellschmerzen loswird, eine erlaubnispflichtige Tätigkeit.
Die Argumentation derjenigen, die das Urteil falsch verstehen (wollen), scheint in etwa die zu sein: "Das BVerfG hat gesagt, Hände auflegen darf jeder. Also dürfen Händeaufleger (Geistheiler) oder Reikianer auch mit Handauflegen heilen, denn Handauflegen fällt ja nicht unters HPG." Und das ist eben Unfug.
... keine Heiltätigkeit im Sinne des HPGs, genau so wenig wie eine religiöse Segnung oder ein Gebet, welche das BVG ausdrücklich anführt.
Wer sich mit diesen fürchterlich spannenden ;D Gesetzes- und Urteilstexten beschäftigt, sollte eines tun: genau lesen. So steht im Urteil und dessen Begründung auch nirgends, dass eine religiöse Segnung oder ein Gebet keine Heiltätigkeit im Sinne des HPGs seien. Es steht dort, dass diese Dinge "wohl kaum den Eindruck erwecken, als handele es sich um Ersatz für medizinische Betreuung."
Mit anderen Worten: wenn ich aber eine Praxis eröffne und an die Tür schreibe:
GESUNDBETER
alle Krankheiten
alle Krassen
und damit den Eindruck erwecke zu heilen, würde das HPG wieder in bedrohliche Nähe rücken. ;)
Das private "reine Handauflegen" würde demnach nicht unter das HPG fallen.
Die gewerbliche Ausführung dieser Tätigkeit dagegn wäre ein anderer Fall, denn hierzu müßte erst eine entsprechende gewerbliche Erlaubnis erteilt werden.
??? Beim Urteil geht es doch gerade (und ausschließlich) um das gewerbliche 'reine Handauflegen'. Berschwerdeführer war ja jemand, dem die Gewerbeanmeldung versagt worden war.
Wenn derjenige, der privat die Hände auflegt, sei es um Energie zu schicken, sei es, um zu segnen, das aber immer wieder tut und dabei den Eindruck erweckt, daß er einen Arztbesuch ersetzen würde, dann könnte das unter das HPG fallen.
Genau! Entscheidend ist nicht eine isolierte Betrachtung einer bestimmten Tätigkeit (Handauflegen, Reiki geben, Füße baden, singen, tanzen), sondern deren Deklarierung als "heilend".
Im HPG heißt es:
"(2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, ..."
Und wenn da steht, "jede" Tätigkeit, dann meint der Gesetzgeber auch "jede". Und dem widerspricht natürlich auch das BVerfG nicht. Maßgeblich ist allein die Zielrichtung (irgend-) einer Tätigkeit. Dem Beschwerdeführer wurde in dem Urteil stattgegeben, nicht weil er "nur die Hände auflegte", sondern weil er glaubhaft machen konnte, dass er damit nicht heilen will.
Und am Rande meine persönliche Meinung zu dem Urteil: Wirklichkeitsfremd! Wann geht jemand zu einem Geistheiler? Wenn er körperliche oder seelische Beschwerden hat. Warum bezahlt er Geld dafür? Weil der die lindern und heilen soll. Die Methode ist zwar eine andere, die erstrebte Zielrichtung (Heilung) ist aber ungeachtet der Einlassung des Beschwerdeführers dieselbe, als würde man einen Arzt oder Heilpraktiker aufsuchen. Damit fällt sowas für mich(!) "formal" natürlich unters HPG. Ich möchte nicht wissen, wie oft jemand insbesondere in ländlichen Gegenden sagt: Geh doch erstmal zur Dorfhexe! Aber wie sagte ein Richter mal: Wenn die höher bezahlte Einsicht das so entschieden hat... :abbitte:
Damit möchte ich nichts gegen z.B. Geistheiler und einen Besuch bei denen sagen, die Sinnhaftigkeit und Begründetheit solcher Helfer steht für mich auf einem ganz anderen Blatt, es geht mir nur um eine Betrachtung im Hinblick auf die formale Gültigkeit des HPG.
Ich hab mich jetzt nicht allein wegen deines Beitrag, Miraculus, so ausführlich zum Thema ausgebreitet, sondern wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Urteils. Aus dem Grund habe ich auch die Überschrift um den Begriff "und Bundesverfassungsgericht" erweitert. ;)
Lieben Gruß
Lutz