Wir hatten das Thema "Trancetiefe" ja schon mehrfach im Forum bis hin zum "Kabbeln" über deren Messbarkeit. :) Ist aber ja auch ein Dauerbrenner.
Ich spreche auch von verschiedenen Trancetiefen (leichte, mittlere, tiefe Trance) und vermittle dieses Konzept auch auf Seminaren. Denn diese Unterscheidung drängt sich in der praktischen Erfahrung einfach auf. Wenn jemand während einer Hypnosesitzung nur die Augen schließt, ansonsten aber keine Veränderungen spüren lässt, wird man eher eine leichte Trance annehmen. Wenn jemand aber die Augen schließt, im Laufe der Zeit sitzend immer mehr zusammensackt und dort wie ein Schluck Wasser in der Kurve hängt, zu sabbern beginnt, Tränenfluss produziert, röchelnd und fast schnarchend atmet, teilweise zuckt und dann nach der Auflösung relativ lange benötigt, um sich zurück zu orientieren - dann wird man eher eine tiefere Trance erspüren.
Ich schreibe hier absichtlich "erspüren", denn die Wahrnehmung der Befindlichkeit einer anderen Person übersteigt natürlich die oben genannten "Parameter" und schließt auf unbewusster Ebene noch weitaus mehr Details ein. Und da sagen dann auch "Laien" ganz spontan: "Der war jetzt aber ganz schön tief weg". Also tiefe Trance. Oder?
Dennoch sind das aber nur äußerliche Indikatoren, die zwar in vielen Fällen ein inneres Geschehen erahnen lassen, aber keineswegs "sicher abbilden". Bei einer Showhypnose z.B. versagen diese Kriterien mehr oder weniger gänzlich, was viele unbedarfte Beobachter eben zu dem falschen Schluss bringt, die Probanden seien ja gar nicht in Trance und würden das nur spielen.
Und dann gibt es noch die von mipooh angesprochene Ebene der "inneren Wahrnehmung". Die ist ja auch nicht ganz unwichtig - jedoch nach meinen Erfahrungen ebenso unzuverlässig. Da gibt es Leute, die äußerlich typische Trancemerkmale zeigen und vielleicht auch noch Trancephänomene produzieren und hinterher steif und fest behaupten, sie seien nicht in Trance gewesen. Andere äußern schon während einer showhypnotischen Demonstration lachend, sie seien nicht in Trance, und zählen anschließend 1 - 2 - 3 - 5 - 6 usw.
Eine von mir selbst vor vielen Jahren erlebte fremdhypnotische Trance empfand ich als sehr tief, weil ich an die Zeit während der Trance nachträglich praktisch keine Erinnerung hatte und weil ich nach der Rückorientierung noch längere Zeit brauchte, um wieder klar zu werden. Ich fühlte mich, als würde ich von gaaanz weit weg zurückkommen, und als ich die Augen öffnete, stimmten die Farben in meiner Umgebung längere Zeit nicht, der "Weißabgleich" war völlig verschoben.
Bei einer anderen "tiefen Trance" bekam ich alles um mich herum mit, wollte sogar aus der Trance rauskommen, was mir aber ohne fremde Hilfe nicht gelang, und konnte ganz klar denken: "Sch..., wie kannst du das beenden? Ich bin kein Star, holt mich hier raus!" Diese Trance war also für mich tief aufgrund ihrer "Gebundenheit", nicht aufgrund irgendwelcher Dissoziation ("gedanklicher Abgespaltenheit").
Und zum Problem einer zutreffenden Beurteilung der eigenen Befindlichkeit: Ich hab mal Selbstversuchsreihen unternommen, um Schlaf von (tiefer) Trance messtechnisch mit dem EEG abgrenzen zu können. Also hab ich mich einige Male verkabelt und dann auf's Sofa gehauen, um dort einzuschlafen.
Einer dieser Versuche ging schief, ich wurde nicht richtig müde, Gedanklen schwirrten mir durch den Kopf, draußen war es zu laut - also sah ich nach einer halben Stunde auf die Uhr und brach diesen Versuch ab. Ich richtete mich auf und stoppte die Aufzeichnung. Das Programm zeigte mit eine Aufzeichnungsdauer von 40 Min. 40??? Ich hatte doch nach 30 Min. abgebrochen. ??? Und als ich dann auf die Auswertung sah:
(http://www.hypnose-service.de/forum/_uploads/eeg_schlaf.jpg)
Nach meinem Entschluss abzubrechen und dem späteren Aufrichten - war ich kurz eingeschlafen! Und ich hätte jeden Meineid geschworen, dass ich nicht geschlafen habe!
Nun sind Trance und Schlaf bekanntlich verschiedene Dinge, aber wenn ein Mensch schon nicht mal verlässlich erkennen kann, dass er schläft / geschlafen hat - wie soll er dann eine Trance erkennen und noch "objektive" Aussagen zur Trancetiefe machen können?
Wer bei dem ganzen Kuddelmuddel glaubt, einen "Behandlungserfolg" an einer (vermeintlichen) Trancetiefe festmachen zu können, hat mir was voraus. Und bei all dem ist immernoch nicht geklärt, was Trancetiefe denn überhaupt ist - und ob es Trance überhaupt gibt. :)
Es ist ja grundsätzlich sehr schwierig Emotionen, Vorgänge des Bewusstseins, verbal zu kommunizieren. Uns fehlen mE da ganze Begriffswelten und wir kratzen nur an der Oberfläche.
Genau. Für den "Hausgebrauch" reicht es vielleicht noch, aber um da ernsthafte Beziehungen zwischen einer Trancetiefe und Nachhaltigkeit einer Intervention herzustellen, wäre ich zumindest überfordert. Zumal da ja noch ganz andere und vielleicht wesentlich entscheidendere Faktoren mit hineinspielen - Leidensdruck, Rapport, "Ökologie" usw. usf. Und dann auch noch systemische Erwägungen ganz außerhalb einer Sitzung. Das alles außen vor zu lassen und nur von Trancetiefe zu sprechen, scheint mir da ohnehin verfehlt.
Lieben Gruß
Lutz